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3. Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Partei "Die Linke"

Hier seine gekürzte Aussage im Ausgangsvideo, dort ab Minute 00:46 bis 01:05:

Quelle: Youtube, Link eingesehen am 26. 11. 2015

Dies Interview ist vollständig im Web zu finden, hier erst einmal seine Aussage des Ausgangsvideos:

"Aber das Verhältnis müssen wir doch mal klären. Ich meine, ich muss Ihnen mal ganz ernsthaft sagen, dass das Besatzungsstatut immer noch gilt. Wir haben nicht das Jahr 1945, wir haben das Jahr 2013. Könnte man das nicht mal aufheben und die Besatzung Deutschlands beenden? Also, ich finde, es wird höchste Zeit. "

Hier nun das gesamte Interview vom 8. August 2013:

 

 

Quelle: Youtube, Link eingesehen am 27. 11. 2015 Die ím Ausgangsvideo geschnittene Passsage befindet sich hier ab Minute 03:23 bis 03:40.

Schon die einleitende Frage des Moderators zeigt den Zusammenhang auf und ist definitiv ein Grund, dass das obige Zitat sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissen wurde.

Der Moderator:

"Gregor Gysi in Berlin, Fraktionsvorsitzender der Partei 'Die Linke'. Einen schönen guten Tag dorthin."

Gregor Gysi:

"Guten Tag, ich grüße Sie".

Moderator:

"Wie ist denn die Position Ihrer Partei zu der Abhörskandalaffäre und vor allem zu den Vorwürfen gegenüber Frank-Walter Steinmeier?"

Anstatt hier nun das Interview vollständig zu transkribieren, fasse ich den Inhalt der Antworten zusammen außer natürlich den Kontext der relevanten Passage des Ausgangsvideos.

Gregor Gysi sagt über Gerhard Schröder, dass sein Satz der uneingeschränkten Solidarität verheerend war, da er keine Beschränkungen bedeutet auch unkritisch, ungeprüft. Dieser Satz hatte zwei schlimme Folgen, erstens den Afghanistan-Krieg mit vielem Toten und Kosten ohne nennenswerten gesellschaftlichen Erfolg dort. Zweitens die Erlaubnis an die amerikanischen Geheimdienste, hier machen zu können, was sie wollen. Herr Steinmeier ist unglaubwürdig, weil er jetzt die Regierung kritisiert, keine Selbstkritik übt. Die jetzige Regierung ist auch nicht glaubwürdig, weil sie so tut, damit nichts zu haben. Denn sie haben dies immer fortgesetzt.

Moderator:

"Katja Kipping, Vorsitzende "Der Linken" sagt, Herr Steinmeier sei der größte Heuchler in der ganzen Spionageaffäre. Ist das nicht ein bisschen über das Ziel hinaus geschossen?"

 

Herr Gysi antwortet, dass sie sich gerne drastisch ausdrückt, das sei nicht sein Stil. Aber seine [meint Steinmeier, T. B.] Äußerungen seien nicht besonders ehrlich. Auch Herr Profalla, der sagt, alles sei aufgeklärt. Herr Gysi plädiert für einen Weg der Transparenz, alles öffentlich zu machen. Verzichtet man darauf, würde das Vertrauen der Bevölkerung in Politik und Politiker weiter schwinden.

Nun nähern wir uns der relevanten Passage. Um den analytischen Zusammenhang zu verstehen, gebe ich bereits ab hier das Interview im Wortlaut wieder.

Der Moderator:

"In den vergangenen Wochen, wer so das politische Berlin beobachtet, hat den Eindruck, 'Die Linke' geht recht stark auf die SPD zu. Nun aber dieser Schuss sozusagen gegen den Bug der SPD. Wie ist denn da die Strategie der Linken?"

Gregor Gysi:

"Nein, unsere Strategie ist eine ganz andere. Wir sagen, 'was will denn eigentlich die SPD?'. Will sie in den nächsten vier Jahren weitere Kriegseinsätze oder will sie das nicht. Will sie, dass das Rentenniveau gesenkt bleibt und die Renten um zwei Jahre gekürzt werden oder will sie das korrigieren. Will sie die prekäre Beschäftigung aufrecht erhalten, will sie weiterhin, dass Deutschland drittstärkster Waffenexporteur der Welt ist, will sie Harzt-IV so belassen, wie es ist oder nicht. Und dann sagen wir: Entweder, sie will das alles so belassen, dann hat sie recht, entweder sie macht das mit der Union und der FDP oder der FDP. Aber wenn sie sagt, sie will das nicht, dann müsste sie sich eigentlich öffnen für die Linken, denn das Gegenteil davon kann sie nur mit uns durchsetzen, wir machen das doch am Inhalt. Und ich möchte die SPD stellen, sie muss doch mal sagen, was sie wirklich will und mit wem sie das ganze umsetzen will. Und ich will den Leuten natürlich auch deutlich machen, Gespräche scheiten doch nicht an uns, sondern wenn, dann an den anderen."

Jetzt kommt die Frage des Moderators, auf die Gysi u. a. mit dem Zitat des Ausgangsvideos antwortet:

Moderator:

"Hans-Peter Uhl, der Unions-Innenpolitikexperte sagt, das sei auch eine Verleumdung von Mitarbeitern der deutschen Geheimdienste, was der Herr Steinmeier indirekt macht. Hat er Recht?"

Gregor Gysi:

"Ach wissen Sie, ich glaube, die können sich besser schützen, die brauchen nicht wirklich meinen Schutz die Mitarbeiter der Geheimdienste. Aber das Verhältnis müssen wir doch mal klären. Ich meine, ich muss Ihnen mal ganz ernsthaft sagen, dass das Besatzungsstatut immer noch gilt. Wir haben nicht das Jahr 1945, wir haben das Jahr 2013. Könnte man das nicht mal aufheben und die Besatzung Deutschlands beenden? Also, ich finde, es wird höchste Zeit.

Ein paar mutige Schritte müssen gegangen werden. Mich stört auch, dass unsere Bundeskanzlerin nichts macht, sie müsste jetzt eigentlich täglich mit Obama telefonieren und versuchen zu klären, der Bevölkerung zu sagen, das wird so und so und dann und dann beendet. Aber nichts hört man. Nur gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen, wenn man so will, vier Parteien, die daran beteiligt waren, nämlich Union, SPD, FDP und Grüne. Sie waren ja alle vier daran beteiligt."

Kurzes Zwischenfazit: Die Tatsache, dass Gregor Gysi die Schuld diesen vier Parteien zuschiebt, zeigt überdeutlich, dass er nicht das Besatzungsstatut von 1945 meinen kann, denn daran waren ja diese Parteien nicht beteiligt gewesen, die Grünen gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal. Aber weiter seine Ausführungen:

"Und das müssten sie zugeben und offen legen, und dann kann man immer noch darüber streiten, wer den größeren Schuldanteil hat. Also ich sage noch einmal: Ich weiß natürlich, dass die Union das jetzt macht, um der SPD eins auszuwischen, und die SPD reagiert wie des Öfteren hilflos. Aber im Kern ist es eingeleitet worden von dieser Männerrunde Schröder, Steinmeier und Fischer, das kann man sich ja vorstellen, wenn die im Zimmer zusammen sitzen wie die sowas auskungeln und dann denken sie, so etwas kommt nicht raus. Nun kommt es aber doch raus. Bloß die nächste Regierung und die übernächste Regierung hat das doch alles weiter gemacht und nicht aufgehört, sondern das immer weiter forciert. Und was soll das überhaupt! Außerdem bin ich davon überzeugt, da ging es nicht nur um Terroristen und Terroristinnen, sondern die werden auch fleißig Wirtschaftsspionage betrieben haben etc. Und deswegen sage ich: Das Misstrauen ist so tief, dass wir im nächsten Bundestag jetzt wirklich einen Untersuchungsausschuss dringend benötigen, um Klarheit herzustellen, um Transparenz herzustellen, um diese Dinge zu überwinden."


Fazit: Eindeutig ist diese Bemerkung im Kontext der NSA-Affäre zu lesen und im Kontext des Wahlkampfs (das Interview wurde im August geführt, zumal es bei Linken fast schon zum guten Ton gehört, sich anti-amerikanisch zu äußern! Im Bundestagswahlkampf kam die Behauptung, dass Deutschland noch immer besetzt sei im Zusammenhang der NSA-Affäre bei einigen Linken sicherlich gut an. Hieraus kann man aber nicht den Schluss ziehen, dass Deutschland kein souveränes Land sei, jedenfalls ist es nicht weniger souverän als andere Staaten auch oder gar ein besetztes Land sei. Aber was sagt denn Gysi nun über das Besatzungsstatut?

Die NSA-Affäre war auch Grund für eine Bundestagsdebatte am 18. November 2013:

"Ich sage es ganz klar: Deutschland ist erst dann souverän, wenn es Herrn Snowden anhört, ihn schützt, ihm Asyl gewährt und seinen sicheren Aufenthalt organisiert – dann ist Deutschland souverän, vorher nicht. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Bravo! – Zuruf von der SPD: Wie?) Wenn Sie „Wie?“ rufen, dann sage ich Ihnen: Wenn unsere Dienste nicht einmal das können, dann sollen sie dichtmachen. Das ist ja wohl das Mindeste, was wir gewährleisten können müssen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Jetzt komme ich zu der Frage – sie ist auch interessant –, wie das alles überhaupt rechtlich läuft. Ich habe mich ein bisschen damit beschäftigt. Es gab die Pariser Verträge, die 1955 in Kraft getreten sind. Das hat Adenauer gemacht, um der Bevölkerung sagen zu können: Das Besatzungsstatut ist aufgehoben worden. – Das Problem war bloß, dass die Amis sagten, sie würden gerne ihre alten Rechte behalten. Deshalb sind Geheimverträge abgeschlossen worden. Ich hatte naiverweise erwartet, dass diese Verträge im Zuge der Zwei-plus-Vier-Gespräche aufgehoben wurden. Sie wurden aber nicht aufgehoben, weil nämlich nur Abkommen mit allen vier Mächten aufgehoben wurden, nicht aber Abkommen mit drei Mächten, mit zwei Mächten oder mit einer Macht. Da war zwar alles, was mit den Russen und den anderen drei Mächten gemeinsam vereinbart war, heraus, aber der Rest blieb; und das geht nicht. Jetzt haben Sie erklärt: Im Sommer sind diese Verträge für unwirksam erklärt worden. – Wie eigentlich? Ich würde gerne einmal die Noten sehen. Was stand da eigentlich drin? Es gab auch neue Verwaltungsvereinbarungen. Sie sehen: Das ist alles ein Wirrwarr, der nicht mehr zu erklären ist. Vergessen Sie auch nicht das Aufenthaltsabkommen und das NATO-Truppenstatut. Auch hier haben sie Rechte, die fast an die Besatzungszeit erinnern. Ich kann nur sagen: Auch hier muss sich einiges ändern. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte jetzt wissen: Welche Verträge sind nun aufgehoben, welche gelten noch, und was steht da drin? Ich finde, die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, das zu erfahren. Ich möchte, dass eine weitere Frage beantwortet wird. In Wiesbaden wird gerade ein gigantisches Geheimdienstzentrum der NSA aufgebaut. Wer hat das eigentlich erlaubt? Von wem geht das aus? Was sollen die da betreiben? Auch hier hat die Bevölkerung doch einen Anspruch auf Informationen. Möglicherweise muss man den USA diesen Bau eben versagen."

Quelle: Plenarprotokoll 18/2 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 2. Sitzung Berlin, Montag, den 18. November 2013, S. 49.

Hier ist der NSA-Skandal korrekt in entsprechende historische Zusammenhänge gerückt worden. Gregor Gysi sagt eindeutig, dass das Besatzungsstatut aufgehoben wurde. Er weiß auch, dass damals die Alliierten nicht auf alle Rechte verzichten wollten. Die von ihm erwähnten Gesetze sind frei zugänglich und kein Bestandteil eines geheimen Abkommens. Es geht im Kern um geheimdienstliche Befugnisse der Amerikaner, die sich unserer Kontrolle entziehen und noch Relikte sind auf dem Weg in die Souveränität.

Die Gesetzeslage bezüglich der NSA-Affäre ist naturgemäß nicht einfach zu bestimmen, da es geheime Zusatzabkommen gibt. Die Einschränkung der Souveränität beschränkt sich eindeutig auf geheimdienstliche Abhörmaßnahmen. Aber auch in obiger Rede spricht ein Populist. Die Formulierung "Rechte aus dem NATO-Truppenstatut, die an die Besatzungszeit erinnern" ist zu weit hergeholt. Oder muss eine Parteineugründung von den USA genehmigt werden? Oder können die USA einen Politiker seines Amtes entheben?