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J. Maier, der Vorredner Höckes: Hinwendung zum sg. "Schuldkult"

Auf seiner eigenen Webseite leitete Jörg Meuthen, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag Baden-Württembergs, seine Stellungnahme mit folgendem Bild ein:

 

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Quelle: Link der AfD-Fraktion Baden-Württembergs, zuletzt eingesehen am 4. April 2017

"Wenn zwei das gleiche sagen" ist die Einleitung eines Zitats des Dichters Volkmar Franks, vollständig lautet es: "Wenn zwei das Gleiche sagen, müssen sie noch lange nicht das Gleiche denken.", siehe diesen Link, eingesehen am 4. April 2017.

Schon inhaltlich unterscheiden sich die beiden Konnotationen, denn im Unterschied zum Dichter Volkmar Frank ist Herr Meuthen der Meinung, dass sowohl Hr. Höcke als auch Hr. Augstein der gleichen Meinung sind, wie aus den Ausführungen Meuthens im Anschluss ans obige Bild deutlich wird.

Auf seiner Webseite entlastet er Höcke, schreibt lediglich, dass "man den Duktus dieser Textpassage wie auch der Rede im Ganzen durchaus kritisch sehen" kann, was auch er, also Meuthen, ebenfalls tue. "Hier ist ein Unterton hineininterpretierbar, nach welchem das Gedenken an die Verbrechen der Nazibarbarei möglicherweise obsolet sei.", zitiert nach. ebd.

Das Statement Meuthens sollte aber in seiner Gänze betrachtet werden, ähnlich wie in meiner Redenanalyse gehe ich hier die wesentlichen Absätze durch:

Wenn zwei das Gleiche sagen ...

… ist es für die Medien noch lange nicht das Gleiche.

Nicht nur, dass Hr. Meuthen den Sinn des angedeuteten Originalzitats entstellt, nutzt er darüber hinaus auch die Rede, um die von der AfD gegeißelten "Lügenmedien" abermals zu kritisieren.

Am gestrigen Tag herrschte in der deutschen Medienlandschaft helle Aufregung über eine Rede meines Parteifreundes Björn Höcke in Dresden vom Vorabend.

Diese Aufgeregtheit erscheint mir überzogen. Sie passt allerdings perfekt zu einer veröffentlichten Meinung, bei der am Ende gar nicht mehr wichtig ist, was gesagt wurde, sondern allein wer es gesagt hat: Wer im politischen Spektrum links steht, kann genau das Gleiche sagen wie ein Vertreter einer konservativ-patriotischen Partei, man wird es Ersterem durchgehen lassen, während man Letzteren erbarmungslos und inhaltlich völlig undifferenziert als Inkarnation des politisch Bösen niederschreibt und -sendet.

Mit diesem Absatz beendet er seine Medienkritik und lässt sehr fragmentarisch den Gang der Ereignisse Revue passieren:

Was war passiert? Höcke sagte in seiner Rede den folgenden Satz: "Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat."

Nun mag man den Duktus dieser Textpassage wie auch der Rede im Ganzen durchaus kritisch sehen. Das tue ich auch. Hier ist ein Unterton hineininterpretierbar, nach welchem das Gedenken an die Verbrechen der Nazibarbarei möglicherweise obsolet sei.

Hier verweist Hr. Meuthen auf eine mögliche Interpretation, ganz so, wie es der verwendete Genitiv zulässt. Natürlich darf Hr. Höcke das so nicht gemeint haben, demzufolge verneint er diese Interpretationsmöglichkeit:

Das ist es natürlich mitnichten. Genausowenig wie es in anderen Nationen obsolet sein sollte, sich der dunklen Episoden der eigenen Vergangenheit zu erinnern.

Allerdings führt er unter Hinweis auf die Meinungsfreiheit weiter aus:

Allerdings muss es in einer freien Gesellschaft möglich sein, auch derart heikle Themen anzusprechen. Eine Meinungsfreiheit, die lediglich auf Schönwetterperioden beschränkt ist, ist keine.

Angesichts dieser Passage wird es widerum heikel. Wenn Höckes Zitat nicht der Interpretation entspricht, dass ein Gedenken an den Holocaust obsolet sei, warum verweist er dann auf die Meinungsfreiheit? Benutzt er das Missverständnis, wenn es denn eines war, um auf Aspekte der Meinungsfreiheit in Deutschland aufmerksam zu machen? M. a. W.: Aussagen, dass man den Opfer des Holocaust gedenken müsse, sind in einer Schönwetterdemokratie erlaubt und in eben dieser nur diese Aussagen, was eben auch bedeutet, dass harsche Kritik am Gedenken in einer Demokratie ebenso erlaubt sein müsse?

Mit dem nächsten Satz bringt es Hr. Meuthen auf den Punkt:

Und eine Meinungsfreiheit, die nur für die eine Hälfte des politischen Spektrums gilt, spottet ihrer Bezeichnung.

Er unterstellt, dass obige Aussage nur Linke im politischen Spektrum ungestraft treffen können unter Hinweis auf Rudolf Augstein:

Genau an diesem Punkt sind wir nun in Deutschland, denn was Björn Höcke gesagt hat, entspricht einer Äußerung, die der ehemalige Herausgeber des "Spiegels", Rudolf Augstein, bereits im November 1998 getätigt hat. Ich zitiere:

"Nun soll in der Mitte der wiedergewonnenen Hauptstadt Berlin ein Mahnmal an unsere fortwährende Schande erinnern. Anderen Nationen wäre ein solcher Umgang mit ihrer Vergangenheit fremd. Man ahnt, daß dieses Schandmal gegen die Hauptstadt und das in Berlin sich neu formierende Deutschland gerichtet ist. Man wird es aber nicht wagen, so sehr die Muskeln auch schwellen, mit Rücksicht auf die New Yorker Presse und die Haifische im Anwaltsgewand, die Mitte Berlins freizuhalten von solch einer Monstrosität."

entnommen aus:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7085973.html

Hier reisst Hr. Meuthen die Aussage Augsteins völlig aus dem Zusammenhang, siehe hierzu meinen gesonderten Beitrag. Aber bereits der erste Satz des Augstein-Zitas ("Nun soll in der Mitte der wiedergewonnenen Hauptstadt Berlin ein Mahnmal an unsere fortwährende Schande erinnern.") leitet ja den Kontext dahingehend ein, dass Hr. Augstein der Meinung ist, es handelt sich bei der Tat um eine schändliche Tat. Ob ein Mahnmal oder gerade dieses, geeignet ist, an diese schändliche Tat zu erinnern, ist natürlich eine andere Diskussionsebene. Wesentlcih für das Verständnis des Augsteins-Zitats ist, dass hr. Augstein von einer "fortwährenden Schande" spricht. Dieser Kontext fehlt bei der Rede Hrn. Höckes völlig. Hr. Meuthen beendet sein Statement mit:

Liebe Leser, entscheiden Sie selbst: Wie kann es sein, dass ein politisch weit links Stehender wie Augstein eine solche Aussage tätigen darf, während man als konservativer Patriot dafür wahlweise und fälschlich als Nazi oder Antisemit gegeißelt wird? Mit Verlaub, das ist nicht die Art von Meinungsfreiheit, wie ich sie mir für das Land der Dichter und Denker wünsche.

Dies funktioniert eben nur, wenn beide Aussagen auch in einem ähnlichen Konext stehen würden. Dies machen sie allerdings überhaupt nicht. Hr. Meuthen unterstellt bewusst die Aussage Hrn. Augsteins einen anderen Sinn, um behaupten zu können, dass erstens beide das gleiche sagen und zweitens, um behaupten zu können, dass Meinungsfreiheit nur für politisch Links stehende gelte.

 

Was Meuthen verschweigt...

Die Aussage Augsteins steht im Kontext der Walser-Bubis-Debatte 1998 als eine von vielen Reaktionen auf die Rede Martin Walsers zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Diese Rede ist zu Recht umstritteten, passagenweise viel zu unkonkret, was nach Walsers Ansicht zu Missverständnissen führte. Walsers im Nachhinein erfolgten Konkretisierungen werden von der AfD verschwiegen, was Martin Walser 2017, also 19 Jahre nach der gehaltenen Rede u. a. zu folgendem Nachtrag nötigte:

Ich habe gesagt, dieses Denkmal mache es möglich, dass wir Deutsche mit unseren Verbrechen nicht mehr im Verhältnis der Verdrängung leben, sondern im Verhältnis der Vergegenwärtigung („Tagesspiegel“ 10. Mai 2006 und „Christ und Welt“ Ausgabe 5/2011). Jetzt aber zitieren AfD-Vertreter die Stelle aus der Rede nicht als Befürchtung, sondern als Faktum. Was ich inzwischen dazu gesagt habe, lassen sie weg. So sind sie Ignoranten oder Fälscher.

Quelle: Martin Walser auf der Webseite des Friedesnpreises des Deutschen Buchandels, Link zuletzt eingesehen am 12. 8. 2017

Fazit:

Erstens steht die Aussage Augsteins in einem eigenen Kontext, zweitens muss auch dieser erweitert werden um die Aussagen Martin Walsers 1998.